Gedenken
21 neue Stolpersteine: Dortmund erinnert an Jüdinnen und Juden
Der Stadtjugendring erinnert in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund mit 21 neuen Stolpersteinen an Jüdinnen und Juden, die ab 1933 vom NS-Regime vertrieben oder deportiert und in Konzentrationslagern ermordet wurden.
Dortmund hat 21 neue Stolpersteine. Der Stadtjugendring erinnert in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund an jüdische Bürgerinnen und Bürger, die ab 1933 vom NS-Regime vertrieben oder deportiert und in Konzentrationslagern ermordet wurden. Einer davon war Dr. Walter Fischbein. Der Mediziner führte ab 1922 die väterliche Praxis am Burgwall 31, wo er auch mit seiner Familie, der Ehefrau Agathe und den Kindern Hanna Toni und Hans Friedrich lebte.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 verlor Walter Fischbein seine Kassenlizenz. Er emigrierte mit seiner Familie in die USA, wo er 1941 mit nur 47 Jahren nach schwerer Krankheit starb. Mit der Verlegung eines Stolpersteins durch Auszubildende des Tiefbaumts der Stadt Dortmund am Burgwall 15 erinnert Dortmund ab sofort in besonderer Weise an Walter Fischbein. Rund 30 Menschen versammelten sich dort, wo damals laut Recherchen des Stadtarchivs das Haus Burgwall 31 stand. „Ein Stolperstein wird immer dort verlegt, wo die Menschen zuletzt freiwillig gewohnt oder gearbeitet haben, auch wenn an dieser Stelle inzwischen ein anderes Gebäude mit anderer Hausnummer steht“, erklärt dazu Johannes Schaffeldt vom Jugendring Dortmund.
Neben Vertreterinnen und Vertretern der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund, des Dortmunder Jugendrings, der Gesellschaft für Gastroenterologie und Dortmunder Bürgerinnen und Bürgern, sorgten sechs Nachkommen von Walter Fischbein für den emotionalen und internationalen Höhepunkt. So Grey Wilson. Die Urenkelin des ehemaligen Dortmunder Bürgers war eigens aus Neuseeland angereist, um bei der Erinnerung an ihren Ur-Großvater dabei zu sein. „Es ist für mich eine unglaubliche Freude, heute hier in Dortmund zu sein, wenn auf diese besondere Weise nicht nur an die Familie meines Urgroßvaters und meiner Urgroßmutter, sondern auch an unsere Familiengeschichte insgesamt erinnert wird.“
Grußworte aus den USA
Grey Wilsons Dank gilt im Besonderen Dr. Ulrich Menges. Ulrich Menges, wie Dr. Fischbein Gastroenterologe, wurde durch Recherchen für das
Als Repräsentant der Stadt Dortmund erinnerte Bürgermeister Norbert Schilff an den Dortmunder Bürger und Arzt Dr. Walter Fischbein, er würdigte die Stolpersteinverlegung als ein besonderes Beispiel lokaler Erinnerungsarbeit: „Diese Zusammenarbeit von Wissenschaft, Bürgerschaft und Stadtgesellschaft zeigt, dass Erinnerung aktiv ist. Sie ist gemeinschaftlich, sie ist unsere Aufgabe. Und genau deshalb sind Gedenkveranstaltungen wie diese so wichtig. Sie sind nicht nur Orte der Erinnerung, sie sind Orte der Haltung: Nie wieder ist jetzt!“
Azubis betteten Steine fachgerecht ein
Ein besonderer Dank vonseiten des Stadtjugendrings ging an die Auszubildenden von Tiefbauamt und Friedhöfe Dortmund. Die Nachwuchskräfte der Stadt hatten für die sachgemäße Einbettung der insgesamt 21 Stolpersteine ins Straßenpflaster gesorgt: „Die jungen Leute machen das nicht nur fachlich super, sondern sind immer sehr engagiert und am Thema interessiert. Es ist schön, dass diese Arbeit für sie nicht nur eine Pflichtaufgabe ist“, so Johannes Schaffeldt
Mit dem „El Male Rachamim“, dem Gebet der Totenklage für „Walter Ben Friedrich“ (Walter, Sohn des Friedrich), vorgetragen vom Kantor der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund, fand das besondere Gedenken an Dr. Walter Fischbein ein würdiges geistliches Ende.
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln, sogenannten Stolpersteinen, soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. In Dortmund koordiniert die
21 neue Stolpersteine verlegt
Die Namen weiterer jüdischer Bürgerinnen und Bürger, für die Montag, 10 November, und Mittwoch, 12. November, Stolpersteine verlegt wurden:
- Stolpersteine für die Familie Grüneberg. Hugo Grüneberg wurde 1881 in Arnsberg geboren und führte in Hörde die Kolonialwarenhandlung „Selig“ am Grünen Weg 2, die er ab 1913 mit seiner Frau Martha betrieb. Das Ehepaar hatte drei Kinder: Bernhard (1912), Fanni (1915) und Edith (1921). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste Hugo Grüneberg sein Haus verkaufen; sein Geschäft wurde 1938 zwangsweise abgemeldet. Nach einer kurzzeitigen Inhaftierung in der Steinwache floh die Familie im Januar 1939 nach Zwolle in die Niederlande, wo bereits die Kinder Bernhard und Fanni lebten. Edith wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Bernhard und Fanni wurden 1943 über Westerbork in die Lager Sobibor und Auschwitz deportiert und dort getötet. Auch Hugo und Martha Grüneberg wurden 1943 über Herzogenbusch und Westerbork nach Sobibor verschleppt und am 14. Mai 1943 ermordet. Damit wurde die gesamte Familie Grüneberg Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung.
- Stolpersteine für Adele und Ingeborg Vogelsang. Ingeborg Vogelsang wurde 1932 in Dortmund als Tochter des Malers Artur Vogelsang und der Schneiderin Adele Vogelsang, geborene Grüneberg, geboren. Sie hatte einen Halbbruder aus der ersten Ehe ihres Vaters. Die Familie lebte und arbeitete in Dortmund, wo Artur ein Malergeschäft und Adele eine Schneiderei betrieb. Ingeborg besuchte ab 1938 die jüdische Volksschule, musste ihre Ausbildung jedoch infolge der nationalsozialistischen Verfolgung beenden. Nach dem Tod des Vaters 1941 zogen Adele und Ingeborg mehrfach um. Im April 1942 wurden beide nach Zamość deportiert; ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Mutter und Tochter wurden nach Kriegsende für tot erklärt.
- Stolpersteine für die Familie Goldschmidt. Der Textilkaufmann Martin Goldschmidt, 1888 in Löbau geboren, lebte mit seiner Frau Lucie, geborene Jakobsohn (1896 in Daber/Pommern), und der Tochter Rosa Ruth (geb. 1923 in Dortmund) seit 1927 in der Rheinischen Straße 104 in Dortmund. Nach der Pogromnacht wurde Martin Goldschmidt im November 1938 von der Gestapo verhaftet und im KZ Sachsenhausen inhaftiert, jedoch im Dezember wieder entlassen. In der Folge zog die Familie mehrfach um, zuletzt in die Deusener Straße 126. Am 30. April 1942 wurden Martin, Lucie und Ruth Goldschmidt von Dortmund nach Zamość deportiert und dort ermordet.
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