Diortmund historisch
Schänken, Schaum und Schattenseiten: Dortmunder Brauerei-Geschichte frisch gezapft
Um 1900 gehörte Dortmund zu den größten und bedeutendsten Brauereistädten Deutschlands. Mit rund 30 Brauereien innerhalb des damaligen Stadtgebiets war Dortmund neben München und Berlin eines der wichtigsten Zentren der Bierproduktion. Die damals aufwändig gestalteten Bierkrüge, Geschäftspapiere und kunstvoll inszenierten Werksfotografien spiegeln das Selbstbewusstsein und den wirtschaftlichen Aufschwung der Branche im ersten großen Bier-und Brauerei-Boom wider.

Die Ausstellung „Glanz und Gloria? Die Dortmunder Brauereien um 1900“, die noch bis zum 11. Januar 2026 im Dortmunder Brauerei-Museum zu sehen ist, zeigt neben den Erfolgen aber auch die weniger bekannten oder gern verdrängten Schattenseiten der Biergeschichte Dortmunds. Die Schau entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv.
Bierstadt Dortmund
Dortmunds Aufstieg zur Bierstadt war eng verknüpft mit der rasanten Industrialisierung des Ruhrgebiets. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes ermöglichte den schnellen und großflächigen Transport von Bier, was den Absatz steigerte. Besonders wichtig war die Erfindung der Kältemaschine durch Carl Linde in den 1880er Jahren. Diese Innovation erlaubte eine ganzjährige, kontrollierte Kühlung der Gär- und Lagerkeller – ein entscheidender Fortschritt gegenüber der vorherigen Abhängigkeit von importiertem Natur-Eis aus Norwegen.
Der Aufstieg der Brauereien

Die Brauereien wandelten sich unter dem Einfluss dieser technischen Neuerungen und der zunehmenden Investitionen: Traditionelle Braustuben und Handwerksbetriebe wichen zunehmend großen Groß- und Aktienbrauereien. Viele einfache Brauer stiegen zu angesehenen Unternehmern der Stadtgesellschaft auf. So etwa die Dortmunder Union-Brauerei, deren Wurzeln bis ins frühe 19. Jahrhundert reichen und die sich zu einer der größten Brauereien Europas entwickelte. Die Unternehmensgeschichte ist verbunden mit der Familie Struck sowie dem Braumeister Fritz Brinkhoff, der maßgeblich zum Erfolg beitrug. 1873 firmierte die Brauerei unter dem Namen „Dortmunder Union-Brauerei“ und wuchs rasch mit einer Jahreskapazität von zunächst 20.000 Hektolitern Bier.
Erfolgreiche Brauereien präsentierten ihren Stolz nicht nur über Werksfotografien, die häufig inszeniert waren, sondern auch architektonisch – etwa durch prächtige Betriebsgebäude wie das Kellerhochhaus der Dortmunder Actien-Brauerei (erbaut 1912/13) und repräsentative Villen wie die des Kronen-Besitzers Heinrich Wenker aus den 1890er Jahren mit angeschlossener Parkanlage. Diese repräsentativen Bauten unterstrichen den Status der Brauereien in der lebhaften und wirtschaftsstarken Stadt.
Die Schattenseiten
Doch die glänzende Fassade der Dortmunder Brauereilandschaft hatte auch Schattenseiten. Die Ausstellung öffnet den Blick hinter die Kulissen des brauereitypischen Wachstumsdrangs und beleuchtet besonders die Arbeitsbedingungen der Brauereiarbeiter sowie die soziale Realität der Bierstadt. Außerdem führte der Erste Weltkrieg zu drastischen Rohstoffknappheiten, die einige kleinere Brauereien das Überleben kosteten. Wie Dr. Nancy Bodden vom

Was Sie (wahrscheinlich) noch nicht über Dortmunds Biergeschichte wussten

Nancy Bodden und Moritz Hülk vom Westfälischen Wirtschaftsarchiv haben mehrere Monate aufwändig für die Schau recherchiert. Was hat sie dabei besonders überrascht?
Nancy Bodden: „Bemerkenswert ist chaotische Flaschengeschäft, das die Brauereien über Jahrzehnte nicht organisieren konnten. Das Bemühen um einen einheitlichen Flaschenpfand und um eine Einheitsflasche ist zwar erkennbar, aber lässt sich tatsächlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg realisieren.“
Moritz Hülk verweist auf eine Besonderheit der Dortmunder Gastronomie um die Jahrhundertwende. Was viele wundern wird: Bier als Getränk der Arbeiter, in Dortmund über Jahrzehnte selbstverständlich, wurde damals fast sanktioniert: „Die Stadtverwaltungen, egal ob Dortmund oder im ganzen Ruhrgebiet und auch tatsächlich in allen Industrieregionen in Preußen haben alles dafür getan, dass die Arbeiter wenig Alkohol trinken konnten. Sie haben kaum Konzessionen für Kneipen erteilt. In anderen Großstädten wie Berlin, München oder Bremen. Deswegen hatte man in Berlin schon damals diese Eckkneipen. Im Ruhgebiet war jeder, der schon eine Konzession hatte, glücklich und konnte expandieren. Es gab also zwar gastronomische Großbetriebe, aber keine größere Kneipenlandschaft aus vielen Einzelbetrieben.“
Die Ausstellung, die bis zum 11. Januar 2026 im Brauerei-Museum Dortmund gezeigt wird, ist eine Kooperation von Brauerei-Museum Dortmund und Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv (WWA). Das WWA ist die regionale Dokumentationsstelle für die Wirtschaft in Westfalen und Lippe und betreut Archivgut von Unternehmen, Kammern, Verbänden und Personen der Wirtschaft. Mit dem Dortmunder Brauereiarchiv verwahrt es die erhaltene schriftliche Überlieferung der Dortmunder Brauereien. In der Ausstellung werden einzigartige, bisher noch nie der breiten Öffentlichkeit präsentierte Dokumente aus dem Archiv zusammen mit Exponaten des Brauerei-Museums Dortmunds präsentiert. Der Eintritt ist frei.
Öffnungszeiten:
Mi, Fr, So 10 - 17 Uhr, Do 10 - 20 Uhr, Sa 12 - 17 Uhr

11. September 2025, 18 Uhr: Vortrag von Dr. Nancy Bodden (Westfälisches Wirtschaftsarchiv): „Kampf den Flaschenverlusten! Die Dortmunder Brauereien und der Ursprung des Flaschenpfandes“ im Brauerei-Museum
13. November 2025, 18 Uhr: Vortrag von Moritz Hülk (Westfälisches Wirtschaftsarchiv): „Arbeiter im Rausch. Kneipenkultur & Alkoholkonsum in Dortmund“ im Brauerei-Museum Dortmund
30. Oktober 2025, 18 Uhr: Führung „Die Schätze des Brauerei-Archivs im Westfälischen Wirtschaftsarchiv“ im Westfälischen Wirtschaftsarchiv, Märkische Straße 120, 44141 Dortmund. Um Anmeldung wird gebeten unter s.berta@dortmund.ihk.de

Stößchen – eine sehr kurze Geschichte des Dortmunder Bieres
Die Geschichte der Dortmunder Brauereien beginnt im 19. Jahrhundert mit einigen wichtigen Gründungen, die Dortmund zu einer der führenden Bierstädte Europas machten.
- Bereits um 1845 wurde die Dortmunder Löwenbrauerei gegründet. Sie war eine der ersten in Dortmund, die untergäriges Bier nach bayerischer Art brauten, und zählte zeitweise zu den größten Brauereien der Stadt mit Exporten bis in die USA.
- Die Dortmunder Union-Brauerei hat ihre Wurzeln in einem Gasthaus und Brauhaus von 1812. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchs sie durch Erweiterungen und Beteiligungen an anderen Brauereien zu einem bedeutenden Unternehmen heran. Ab 1872 wurde sie in das neue Brauereiviertel verlegt, das heute als Unionviertel bekannt ist.
- Die Dortmunder Actien-Brauerei (DAB) wurde 1868 gegründet und entwickelte sich ebenfalls zu einem der Hauptakteure. Sie war eine der ersten Brauereien mit moderner Kältetechnik und verfolgte früh eine Exportstrategie. Um 1900 war sie eine der größten Brauereien in Deutschland und baute in den 1980er Jahren eine der modernsten Brauereien Europas im Dortmunder Norden.
- Weitere bedeutende Brauereien waren die Germania-Brauerei, gegründet aus einer Hausbrauerei in den 1870er Jahren, sowie die Kronenbrauerei, deren Wurzeln bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen, und die ab dem 19. Jahrhundert das Dortmunder Helle mitentwickelte.
- Um 1900 gab es in Dortmund etwa 30 Brauereien, was die Stadt zu einem der größten Bierproduzenten Deutschlands machte – nur München und Berlin hatten mehr. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Ruhrbesetzung schrumpfte die Zahl der Brauereien stark, und im 20. Jahrhundert konzentrierte sich die Produktion auf wenige Marken wie DAB, Union, Hansa, Thier, Kronen und Bergmann, die bis zu 6.000 Menschen beschäftigten.
- Einige Traditionsbrauereien wie die Borussia-Brauerei, ursprünglich 1885 gegründet, wurden später wiederbelebt. Die neue Borussia Brauerei wurde 2022 neu gestartet und trägt das Dortmunder Biererbe in die Gegenwart.
Insgesamt trug die Braubranche entscheidend zum Ruf Dortmunds als wichtige Bierstadt bei, mit großen wirtschaftlichen Bedeutungen für die Region. Im Laufe des 20. Jahrhunderts kam es zur Konsolidierung und Modernisierung der Brauereien, viele kleinere verschwanden oder wurden integriert, unter anderem in größere Gruppen wie die Radeberger-Gruppe.
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